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Aquatic Ape Theorie (AAT) – Wasseraffentheorie

Affen in heißer Quelle
Makaken in einer heißen Quelle in Japan
Foto: Yosemite
Lizenz: [https://www.xonk.de/fdl.txt GNU-Lizenz für freie Dokumentation].

Die Originaldatei ist hier zu finden.

Wenn heutzutage in den Medien von der Evolution die Rede ist geht es nicht selten, um die Evolution des Menschen, da das vermutlich der interessanteste und auch ein besonders kontrovers diskutierter Teil der Evolutionstheorie ist.
Eine populärwissenschaftlich besonders beliebte und daher in der näheren Vergangenheit besonders gerne zitierte Theorie ist dabei die sogenannte Aquatic-Ape-Theorie. Die Beliebtheit dieser Theorie begründet sich vor allem darin, dass sie einfach und scheinbar logisch aufgebaut und daher leicht zu verstehen ist und sie sich mit vielen verschiedenen Aspekten der Menschwerdung beschäftigt, vom aufrechten Gang bis hin zu Details wie der Entstehung von Unterhautfettgewebe und der Gehirnentwicklung.
In diesem Artikel werde ich versuchen diese Theorie, einige ihrer Argumente, aber auch speziell ihre Widersprüche zu erläutern.
Ich möchte damit nicht behaupten die Aquatic-Ape-Theorie wäre vollständig falsch, einige ihrer Argumente sind nicht völlig von der Hand zu weisen, aber anhand der Beispiele möchte ich erläutern, dass viele ihrer scheinbar guten Argumente bei genauerer Betrachtung nicht als so selbstverständlich anzusehen sind wie es in den Medien oft getan wird. Das zeigt, dass man auch in der Wissenschaft alles hinterfragen sollte und nicht alles was auf den ersten Blick logisch erscheint auch richtig sein muss.
Ich beginne zunächst mit den Hauptaussagen der Aquatic-Ape-Theorie.
Als Gegenbeispiel werde ich danach etwas zur Savannen Theorie erzählen, warum sie heute keine Relevanz mehr besitzt und was die Aquatic-Ape-Theorie damit zu tun hat.
Später folgen 5 Argumente, welche die Befürworter der Aquatic-Ape-Theorie gerne als unterstützende Aussagen für ihre Theorie heranziehen. Im Anschluss zu jeder der Aussagen folgt eine kritische Hinterfragung der Argumente.

Hauptaussage der Aquatic-Ape-Theorie

Bei der AAT wird grundlegend davon ausgegangen, dass die Vorfahren der Menschen eine aquatische, beziehungsweise eine semiaquatische Lebensweise hatten.
Man nimmt dabei an, dass der ursprüngliche Lebensraum Wald oder dessen Nahrungsangebot knapp und damit die Lebensgrundlage gefährdet wurde.
Um dies zu kompensieren wurden demnach neue Nahrungsquellen benötigt, welche in Gewässern ausreichend zur Verfügung standen.
Die dadurch entstandene Lebensweise an und in Gewässern hätte dann zur Entwicklung besonderer Merkmale geführt, die auch heute noch, lange nach dieser evolutionären Phase des Wasserlebens, nachweisbar sein sollen.
Einige dieser Merkmale, welche ich auch im Folgenden erläutern werde, sind die bereits erwähnten Merkmale des aufrechten Ganges, des Unterhautfettgewebes und der Gehirnentwicklung und die Merkmale der Haarlosigkeit und der Haarstruktur.

Savannen Theorie

Die AAT wurde erst nach dem Verwerfen der Savannen-Theorie beliebt. Diese möchte ich an dieser Stelle einmal kurz erläutern, da sie in gewisser Weise das Gegenteil der Aquatic-Ape-Theorie darstellt.
In der Savannen-Theorie wird davon ausgegangen, dass ebenso wie bei der Aquatic-Ape-Theorie die Lebensgrundlage unserer waldlebenden Vorfahren gefährdet wurde und sich vermehrt Individuen aus den Randgebieten der Wälder in die offene Savanne ausbreiteten um der Nahrungsknappheit entgegen zu wirken.
Dabei sei der zweibeinige Gang entstanden, welcher evolutionär energetische Vorteile bei der Bewältigung großer Strecken gehabt haben soll.
Beobachtungen an in der Savanne lebenden Affen ließen jedoch Zweifel an dieser Theorie aufkommen, da alle Affenarten in diesem Lebensraum eine vorwiegend vierbeinige Lebensweise bewahrt hatten.
Die Fortbewegungsweise auf 2 Beinen wird bei diesen Arten nur bei der Suche nach Beute, bzw. beim Sichern der Umgebung vor Feinden genutzt, oder um die Hände beim Tragen von Nahrung nutzen zu können. Objekte die nicht der Ernährung dienten wurden dagegen im dreibeinigen Gang mit einer Hand auf dem Boden hinterher geschleift.
Außerdem wurde im Fall einer Gefahr immer auf die vierbeinige Fortbewegung zurückgegriffen, da diese sowohl stabiler, als auch schneller war.
Zudem soll inzwischen erwiesen sein, dass der aufrechte Gang in der Übergangszeit vom Vierbeiner zum Zweibeiner zunächst energieraubend gewesen sein muss und damit gelte das Argument zur evolutionären Entwicklung des aufrechten Ganges aufgrund von energetischer Effizienz bei langen Märschen in der Savanne nicht mehr.
Daher stellt sich die Frage, weshalb unsere Vorfahren dennoch den aufrechten Gang entwickelten.

Watender Gorilla
Gorillaweibchen prüft bei der Nahrungssuche mit einem Stock die Wassertiefe
Foto: Public library of Science journal
Lizenz: Creative Commons Attribution 2.5 Generic

Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der aufrechte Gang in der AAT

An dieser Stelle knüpft die Aquatic-Ape-Theorie an und somit geht die Savannen-Theorie in diesem Zusammenhang im wahrsten Sinne des Wortes unter.
Sie geht davon aus, die Vorfahren der Hominiden seien bei der Ernährung relativ unspezialisiert gewesen und hätten sich vorwiegend von Früchten und tierischen Proteinen ernährt, was ihnen die Erschließung verschiedener Lebensräume ermöglichte.
Durch die Beobachtung von Affen, welche im aufrechten Gang durch Flüsse waten und im Fall des hier gezeigten Flachlandgorillas auch in Gewässern auf Nahrungssuche gehen, schloss die Aquatic-Ape-Theorie auf eine unterstützende Wirkung des Wassers bei der Entwicklung des aufrechten Ganges unserer Vorfahren.
Selektion hätte dann im laufe der Evolution zu einer Anpassung des Skelettes an den neuen Lebensraum geführt.
Demnach hätten die Vorfahren der Hominiden nicht Savannen sondern Uferregionen als Nahrungsquelle aufgesucht, was zur Entwicklung des aufrechten Ganges und vielen weiteren Merkmalen führte.

Eines dieser Merkmale ist die Haarlosigkeit des Menschen. Auch diese wird in der Aquatic-Ape-Theorie auf das Wasserleben zurückgeführt.

Haarlose Affen

Die Behauptung:

Nur aquatische/semiaquatische oder unterirdisch lebende Säuger seien haarlos. Beispiele hierzu wären Wale, Nilpferde oder der Nacktmull.
Bei genauer Betrachtung stellt sich diese Behauptung jedoch als nicht haltbar heraus.
Nur bei vollständig aquatisch lebenden Säugern, welche sich im Laufe von Jahrmillionen an das Leben im Wasser angepasst haben, kann man Haarlosigkeit unabhängig von der Größe der Tiere feststellen.
Der Grund für den Verlust der Haare im Laufe der Evolution ist hier der erhöhte Reibungswiderstand bei der durch Haare verursachten größeren Oberfläche. Daraus ergibt sich bei Reduktion der Haare ein energetischer Vorteil.
Bei landlebenden, oder semiaquatisch lebenden Säugern dagegen spielt das Verhältnis von Körpervolumen zu Oberfläche eine immense Rolle, da Tiere mit großem Volumen dazu tendieren zu überhitzen und deshalb die isolierende Haarpracht im Laufe der Evolution reduziert haben.
Beispiele hierzu sind Elefanten oder Nilpferde.
Bei kleinen semiaquatisch lebenden Säugern dagegen findet man meist eine Behaarung. Diese fetten meist ihre Körperbehaarung mit Talgdrüsen ein, um ihr Fell wasserabweisend zu machen und auf diese Weise sowohl den Reibungswiderstand zu minimieren, als auch die isolierenden Eigenschaften der Haare zu bewahren. Aber damit nicht genug, in einigen Fällen, wie bei den Zwergottern hat sich im Laufe der Evolution gerade bei diesen semiaquatisch lebenden Tieren ein besonders dichtes Unterfell gebildet um das Eindringen von Wasser zu verhindern und die isolierenden Eigenschaften des Fells auch im Wasser zu bewahren.

Haarwuchs in Strömungsrichtung

Eine weitere Behauptung der Aquatic-Ape-Theorie ist, dass die charakteristische Haarwuchsrichtung der Menschen sich in Folge der semiaquatischen Lebensweise in Strömungsrichtung ausgeprägt hat.
Jedoch finden sich auch hier bei genauer Betrachtung Fehler an der Behauptung.
Damit die Wuchsrichtung im Wasser der Strömungsrichtung beim schwimmen entspricht, müsste ein Mensch vorwiegend mit dem Scheitel voran schwimmen und müsste das Gesicht beinahe ständig unter Wasser halten. Das widerspricht der Realität und würde auch dazu führen, dass beim Schwimmen nicht mehr in Bewegungsrichtung gesehen werden kann.
Damit die Wuchsrichtung der Haare auf den Armen mit der Behauptung erklärt werden könnte, müssten die Arme während des Schwimmens außerdem immer an den Körper gepresst bleiben.
Zudem wäre ein außergewöhnlich schneller Schwimmer notwendig, damit sich eine Veränderung der Haarwuchsrichtung evolutionär als begünstigender Faktor herausstellt.

Fettgewebe bei Säugern

Bei den bisher genannten Merkmalen ging es in beiden Fällen um die Grenzschicht zwischen dem Tier und der Umgebung, also im Falle der Aquatic-Ape-Theorie dem Wasser. Nun gehen wir etwas unter die Oberfläche und betrachten das Unterhautfettgewebe.
Die Aquatic-Ape-Theorie führt hierzu an, das Unterhautfettgewebe der Menschen würde am ehesten dem von aquatisch lebenden Säugern, also dem von Walen ähneln.
Würde man dagegen andere Primaten betrachten hätten diese einen wesentlich geringeren Fettanteil und der Mensch wäre der bei weitem fetteste Primat.
Die evolutionäre Begründung dafür nennt die AAT in der Isolationsfähigkeit von Fettgewebe, welches bei aquatisch lebenden Säugern die Funktion des Fells übernimmt.
Betrachten wir die Argumente einmal genauer fällt jedoch zunächst auf, dass radikale Unterschiede zwischen dem Fettgewebe aquatisch lebender Säugetiere und dem des Menschen existieren.
Außerdem nehmen Wale ihr Leben lang an Fettgewebe zu, während die Menge an Fettgewebe beim Menschen Schwankungen unterliegt.
Wenn wir andere heute lebende semiaquatisch lebende Säugetiere, wie den Eisbär untersuchen stellen wir zusätzlich fest, dass er relativ wenig Fettgewebe besitzt.
Wie also erklärt sich dieser Widerspruch, wenn das Unterhautfettgewebe als isolierende Anpassung an die Lebensweise im Wasser entstand?
Dazu muss erwähnt werden, dass es zwar stimmt, dass die Fettgewebe bei unterschiedlichen Spezies unterschiedlich verteilt sind, eine unterschiedliche Verteilung von Fettgewebe jedoch auch bei den beiden Geschlechtern ein und der selben Spezies beobachtet werden kann, wie man es auch beim Menschen leicht erkennen kann.
Der Grund dafür ist sexuelle Selektion. Das Unterhautfettgewebe dient dabei als Merkmal, welches eine sexuelle Reaktion beim anderen Geschlecht auslösen soll und daher bei den Geschlechtern unterschiedlich verteilt ist.
Die primäre Funktion des Unterhautfettgewebes ist dagegen die eines Energiespeichers, der in Krisenzeiten genutzt und dabei das Fettgewebe abgebaut werden kann. Die Verteilung im Körper ist dafür nur von untergeordneter Bedeutung.

Fisch fürs Hirn

Vom Fettgewebe kommen wir nun zu den Omega-3-Fettsäuren und dringen noch ein wenig tiefer in die Physiologie unseres Körpers ein.
Wie jeder von ihnen sicherlich aus der Werbung weiß, sind Omega-3-Fettsäuren wichtig für die gesunde Ernährung.
Man unterscheidet dabei 2 Typen: DHA und LNA.
DHA ist dabei besonders für die Gehirnentwicklung wichtig und kommt vor allem in Fisch vor.
Bei der Aquatic-Ape-Theorie wird nun daraus geschlossen, dass Hominiden im Laufe ihrer Entwicklung viel Fisch gegessen haben müssen um ein so großes Gehirn entwickeln zu können.
Daraus wiederum ergibt sich der Schluss die Hominiden hätten im oder am Wasser gelebt.
Wenn man jedoch bedenkt, dass DHA aus LNA synthetisiert werden kann und LNA in Fleisch und in pflanzlichen Ölen vorkommt ist Fisch nicht mehr zwingend notwendig.
Dazu kommt, dass gerade LNA in Muttermilch vorkommt und somit gerade wenn sich das kindliche Gehirn noch in der Entwicklung befindet LNA vollständig auszureichen scheint.
Fleisch ist dazu noch wesentlich reicher an einigen anderen Substanzen als Fisch und bei einer wie in der Aquatic-Ape-Theorie geforderten auf DHA ausgerichteten Ernährung mit Fisch könnten damit an anderer Stelle erhebliche Mangelerscheinungen auftreten.

Sex unter Wasser

Nun kommen wir zu einem meiner Lieblingspunkte: dem Sexualakt!
Bei Beobachtung von Walen kann man beobachten, dass diese mit einander zugewandten Gesichtern (Bauch an Bauch) kopulieren.
In der Aquatic-Ape-Theorie wird darin ein weiteres Indiz für die Abstammung des Menschen von einem wasserlebenden Vorfahren gesehen, da bei landlebenden Säugetieren nur der Mensch den Geschlechtsakt mit einender zugewandten Gesichtern praktizieren würde.
Zunächst einmal:
Nicht alle aquatisch und vor allem semiaquatisch lebenden Säugetiere kopulieren mit einander zugewandten Gesichtern. Beispiel hierfür ist das bereits bei der Haarlosigkeit angeführte Nilpferd.
Außerdem haben andere landlebende Tiere und speziell unsere nächsten Verwandten die Affen durchaus mit einander zugewandten Gesichtern Geschlechtsverkehr.
UND sie haben scheinbar auch jede Menge Spaß daran…
Des weiteren haben wir Menschen im Gegensatz zu Walen schließlich die Wahl der Lieblingsstellung! 😉

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